HENRICUS IGNAT. FRANCISCUS BIBER

H.I.F. BIBER: ein Genie, dessen Lebensgeschichte noch großteils unerforscht ist, ein Violinvirtuose, der die Technik des Geigenspiels in Österreich auf eine unglaublich hohe Entwicklungsstufe emporgehoben hat, ein Mensch mit unglaublicher Fantasiefähigkeit und Mut zur Abstraktion.

Die Vielschichtigkeit seines Schaffens ist erstaunlich, sein Oeuvre erstreckt sich von großbesetzter Kirchenmusik über kunstvoll ausgearbeitete Kammermusik bis zur virtuosen Musik für sein persönliches Soloinstrument, die Violine.

Erstaunlicherweise findet sein Schaffen erst in letzter Zeit Beachtung im professionellen Konzertbetrieb. Auch die wissenschaftliche Rezension seiner Werke hinkt weit hinter der Bedeutung dieses bemerkenswerten österreichischen Musikers nach.

1644 wird Biber in Wartenberg (Böhmen) gebaren. Sein Taufschein ist für den 12. August ausgestellt. Der Vater, Martin Biber, arbeitete als Jäger am Wartenberger Hof und war somit Untergebener des Grafengeschlechts Liechtenstein. Dieses Adelsfamilie stammt aus Tirol (Schloss Castel Corn, bei Bozen) und kommt im Laufe des 16. Jahrhunderts nach Böhmen und Mähren. Wo und in welcher Weise Heinrich Ignaz seinen ersten Musikunterricht erfahren hat, kann nur vermutet werden. In seiner Schulzeit sind in Wartenberg zwei Lehrer beziehungsweise Musiker tätig. Wiegand Knöffel, ein berüchtigter Trunken- und Raufbold, wurde 1656 als Kantor und Organist berufen. Er starb 1675 in Wartenberg als »gewesener Kantor«. Johann Georg Teifel bestellt die Kirchenmusik gesichert ab 1670. Wann er seinen trunksüchtigen Vorgänger ablöste, ist heute nicht mehr feststellbar. Jedenfalls dürfte Biber einige Zeit die Obhut des vorgenannten Wiegand Knöffel genossen haben.

Durch einen Brief J.H. Schmelzers haben wir Kenntnis davon, dass Biber möglicherweise später mit Johann Jakob Prinner (Wiener Komponist) in Graz beim Fürsten von Eggenberg diente.

In der fraglichen Zeit wurde allerdings die Kapelle in Eggenberg aufgelöst. Die Adelsfamilie hatte 1628 die Herrschaft von Krumau (nördlich von Freistadt) in Böhmen übernommen, wo gesichert noch 1670 Hofmusik bestand. Ob Biber mit seinen Musikerkollegen nach der Auflösung der Musik in Eggenberg nach Krumau übersiedelt ist, kann nur vermutet werden. Jedenfalls befindet er sich spätestens 1668 in einem Anstellungsverhältnis zum Olmützer Bischof Karl Liechtenstein Kastelkorn in Kremsier. Dieser feingebildete und musikalisch äusserst interessierte Kirchenfürst unterhielt eine prächtige Hofmusik, die zeitweise sogar mehr Musiker beschäftigte als die kaiserliche Hofmusikkapelle in Wien. Der Bischof hielt Kontakt mit bedeutenden Komponisten seiner Zeit. Seine Musikalienbibliothek gehört noch heute zu den bedeutendsten Sammlungen österreichischer Barockmusik. Heinrich Ignaz Franz Biber hatte also dort reichlich Gelegenheit, die verschiedenen Kompositionsstile seiner Zeitgenossen kennen zu lernen und zu studieren. In der Kapelle dient er vorerst als Bassgeiger beziehungsweise als Gambist. Sein Freund und wahrscheinlich auch Vorgesetzter war der Hof- und Feldtrompeter Josef Pavel Vejvanovsky, der noch lange nach Bibers Flucht aus Olmütz Kontakt zu Heinrich Ignaz hielt. Viele Werke Bibers sind durch die Abschrift Vejvanovskys im Archiv von Kremsier erhalten geblieben. Eine Reise zum Ankauf einiger Instrumente beim Absamer Geigenbauer Johann Jakob Stainer nimmt Biber 1670 zum Anlass, ohne Einverständnis des Bischofs, den Dienst in Kremsier zu quittieren. Er hatte wahrscheinlich schon einige Zeit vorher Kontakt zum Salzburger Erzbischof Max Gandolph aufgenommen, der Biber mit einem ziemlich hohen Anfangsgehalt in seine Hofmusik einstellte. Den Zorn seines bisherigen Herrn, Karl Liechtenstein Kastelkorn, weiß Biber mit der Übersendung einiger ausgesuchter Kompositionen zu beschwichtigen. 1684 wird er zum Kapellmeister befördert und erhält außerdem den Titel eines fürstbischöflichen Truchsess. Der Bischof schätzt offensichtlich die Qualitäten seines Hofgeigers. Zum Dank widmet ihm Biber sämtliche bis zum Tod des Bischofs 1687 herausgegebenen Werke: Sonatae Violino solo 1681, Sonatae tam aris quam aulis servientes 1676, Mensa sonora seu Musica instrumentalis 1680, Fidicinium Sacro-Profanum 1682.

Eine in Wien wütende Pest ist der Grund dafür, dass Kaiser Leopold I. 1673 seine Residenz nach Linz verlegt. Biber nimmt dieses Ereignis zum Anlass, sich mit großem Erfolg sowohl in Linz, als auch in Lambach vor dem Kaiserlichen Hofe hören zu lassen. 1681 wird dennoch sein Gesuch um Verleihung des Adelsstandes vorerst abgelehnt. Erst 1690 hat er mehr Erfolg. Seinem Gesuch wird unter Anmerkung seiner »Erbarkeit, Redlichkeit, adelichen guten Sitten, Tugend und Vernunft« stattgegeben. Zu dieser Zelt befindet sich Biber bereits im Dienst des neuen Bischofs Johann Ernst Graf Thun. Auch sein neuer Herr, wie sein Vorgänger ein großer Verehrer der Künste, schätzt, obwohl bei ihm die Musik nicht im Vordergrund stand, die Kunstfertigkeit seines berühmten Kapellmeisters. Um 1700 finden wir Biber als Vorgesetzten von 25 Musikern und Sängern, 2 Paukern, 8 Trompetern und ca. 18 Sängerknaben. Sein Gehalt beläuft sich auf ca. 850 fI, was für einen Musiker eine stattliche Summe bedeutet. Biber stirbt 1704 in Salzburg. Er ist als Komponist weit über die Grenzen Osterreichs bekannt und hochgeehrt.


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